Progressive Muskelentspannung – Anleitung zu mehr Gelassenheit
Stress und Anspannung sind leider oftmals fester Bestandteil unseres Alltags. Umso wichtiger sind Verfahren, die uns helfen, die Belastung abzubauen. Nach Angaben der Universität Lübeck gehört die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson zu den bewährtesten Entspannungsmethoden. Im folgenden Artikel zeigen wir Ihnen, wie PME (auch PMR - Progressive Muskelrelaxation genannt) funktioniert, wann die Technik angewendet wird und welche Belege es für die Wirksamkeit gibt.
- Progressive Muskelentspannung ist eine anerkannte Entspannungstechnik.
- Die Übungen reduzieren Stress, Angst und psychische Anspannung.
- Bei regelmäßigem Üben lindert PME chronische Schmerzen und schult die Körperwahrnehmung.
- Wichtig ist, die Progressive Muskelentspannung richtig zu erlernen.
Was ist Progressive Muskelentspannung?
Die Progressive Muskelentspannung geht zurück auf eine Idee des amerikanischen Physiologen Edmund Jacobson. Anfang der 1920er Jahre stellte Jacobson eine Wechselwirkung zwischen der Muskelanspannung und dem seelischen Zustand fest, während er selbst unter Rückenschmerzen litt. Er beobachtete, dass die Muskeln sich bei Anspannung oder Unruhe reflexartig verkrampften. Bei Lockerung der Muskulatur trat ein Ruhegefühl ein. Auf dieser Wahrnehmung basiert die Idee der Progressiven Muskelentspannung, die Jacobson in einem 1934 erschienenen Buch vorstellte.
Die An- und Entspannung bestimmter Muskeln und die bewusste Wahrnehmung aktiviert das vegetative Nervensystem und sorgt so für eine körperliche Entspannung und eine Beruhigung des Geistes. Progressiv bedeutet, dass bei dieser Technik Schritt für Schritt einzelne Muskelgruppen jedes Körperabschnitts gezielt angesprochen werden. Der Entspannungsprozess wird also sukzessive durch den gesamten Körper geführt, bis Sie vollständig ruhig und gelassen sind.
Wie funktioniert Progressive Muskelrelaxation?
Das Prinzip der Progressiven Muskelentspannung ist dem autogenen Training sehr ähnlich, die Entspannungsübungen sind jedoch für viele Menschen leichter zu erlernen:
Es gibt eine Kurz- und eine Langform der Progressiven Muskelentspannung. Bei der Kurzform sprechen Sie nur bestimmte Muskelgruppen an, bei der Langform werden alle Muskelgruppen einbezogen.
Der Patient spannt nacheinander verschiedene Muskeln an und lockert die Anspannung nach 7 bis 10 Sekunden wieder. Die Entspannungsphase dauert mindestens 10 Sekunden, danach wenden Sie sich der nächsten Muskelgruppe zu. Das Training führen Sie im Sitzen oder Liegen durch.
Sie spannen jeden Muskel so stark an, dass sich ein leichtes Ziehen einstellt. Am Anfang Ihrer Übungen stellen Sie auf diese Weise fest, wo sich der Muskel befindet. Während der Anspannung eines bestimmten Muskels bleiben die anderen Muskeln möglichst entspannt. Nach der Phase des Haltens entspannen Sie wieder und spüren dem Gefühl nach. Probieren Sie das zunächst einmal mit Ihrer rechten und danach mit der linken Faust aus: Ballen Sie die Hand zur Faust und halten die Spannung für bis zu 10 Sekunden. Nun lassen Sie bewusst los und spüren dem Gefühl nach.
Tipp
Wenn Sie PME später im Alltag anwenden möchten, empfiehlt sich eine sitzende Position. Nachdem Sie sich einige Male mit den Übungen vertraut gemacht haben, dauert es rund 10 bis 20 Minuten, bis der Körper völlig entspannt ist.
Ideal ist eine ruhige Umgebung, zudem empfiehlt sich lockere und bequeme Kleidung. Ob entspannende Musik unterstützend wirkt, findet jeder am besten für sich selbst heraus.
Die Progressive Muskelrelaxation setzt sich aus fünf Phasen zusammen:
Phase | Teil der Übung |
---|---|
Phase I | Hinspüren: Konzentration auf die entsprechende Muskelgruppe |
Phase II | Anspannen: Die Muskeln der jeweiligen Gruppe werden angespannt. |
Phase III | Spannung halten: Die Spannung wird für 7 bis 10 Sekunden gehalten. |
Phase IV | Loslassen: Die Anspannung wird gelockert. |
Phase V | Nachspüren: Die Aufmerksamkeit bleibt für etwa eine halbe Minute bewusst bei der entsprechenden Muskelgruppe. |
Die Langform der progressiven Muskelentspannung
Wer die Langform der PME anwendet, aktiviert folgende Muskelgruppen in einer festgelegten Reihenfolge:
- Rechte Hand und Unterarm
- Rechter Oberarm
- Linke Hand und Unterarm
- Linker Oberarm
- Stirn
- Augenpartie und Nase
- Unterkiefer, Lippen, Zunge
- Hals- Nackenbereich
- Schultern
- Bauch, unterer Rücken
- Gesäß
- Rechter Oberschenkel
- Rechter Unterschenkel
- Rechter Fuß
- Linker Oberschenkel
- Linker Unterschenkel
- Linker Fuß
Die Kurzform der progressiven Muskelentspannung
Bei der Kurzform der Progressiven Muskelentspannung richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nur auf eine bestimmte Muskelgruppe. Auch zum Üben ist es ideal, sich auf ausgewählte Gruppen zu konzentrieren. Möglich ist es beispielsweise, auf die Füße und Beine zu fokussieren oder die Übungen für Arme, Schulter und Nacken durchzuführen.
Es gibt zahlreiche Videos und Anleitungen, um die Progressive Muskelrelaxation zu erlernen. Damit Sie das Training richtig durchführen, empfiehlt sich zunächst die Einweisung durch einen Profi. Unter anderem bieten Heilpraktiker oder Osteopathen PME an. Dabei handelt es sich nicht um Kassenleistungen, sodass gesetzlich Versicherte diese Behandlungen aus eigener Tasche bezahlen.
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Welche Auswirkungen hat die Progressive Muskelrelaxation auf den Körper?
Die PME hat verschiedene Wirkungen auf Körper und Psyche:
- Durch die Aktivierung des Parasympathikus (Teil des vegetativen Nervensystems, das für Regeneration und Ruhe verantwortlich ist) tritt Entspannung ein.
- Regulierung/Verlangsamung der Herzfrequenz
- Beruhigung der Atmung
- Förderung der Durchblutung
- Erwärmung der Muskulatur
- Verbesserung der Körperwahrnehmung
- Förderung der Konzentration
- Reduzierung von Angst und Anspannung
Wie wirksam ist die Progressive Muskelentspannung?
Es gibt zahlreiche Studien, die die Wirksamkeit der PME belegen. Der Diplom-Psychologe Dr. Rainer Doubrawa hat die Forschungsergebnisse im Jahr 2006 in einer Metastudie untersucht. Abschließend kommt Doubrawa zu dem Ergebnis, dass die Progressive Muskelentspannung in verschiedenen klinischen Bereichen wirksam ist, wenn das Verfahren sinnvoll angewendet wird. Dabei hebt der Autor hervor, dass PME vor allem in Kombination mit anderen psychologischen und medizinischen Behandlungsansätzen gute Erfolge erzielt.
Einer Metastudie aus dem Jahr 1994 zufolge, bei der die Daten von rund 3.000 Patienten ausgewertet wurden, ergaben sich bei 75 Prozent der Teilnehmenden deutliche Symptomverbesserungen. Bei 60 Prozent verbesserte sich das Allgemeinbefinden.
Welche Anwendungsgebiete gibt es für die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson?
Es gibt verschiedene Bereiche, in denen Sie mit Muskelentspannung sehr gute Ergebnisse erzielen. Vor allem für die Reduzierung von Stress kann das Training sehr hilfreich sein. Gerade unruhige und nervöse Menschen profitieren von den Übungen. Verschiedene Anwendungsgebiete im Überblick:
- Reduzierung chronischer Schmerzen wie Kopfschmerzen, Spannungskopfschmerzen, Migräne oder Rückenschmerzen
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck
- Schlafstörungen
- Gastrointestinale Erkrankungen wie Reizdarm oder Magenschmerzen
- Blasenstörungen
- Hauterkrankungen wie Neurodermitis
- Phobien
- Stimmungsschwankungen
- Depressionen
Unterstützend wirkt das Training zudem bei Krebspatienten, bei denen den Untersuchungen von Dr. Doubrawa zufolge eine stabile Verbesserung bei Ängsten, Depressionen und teilweise auch bei Übelkeit beobachtet werden konnte.
Die Progressive Muskelentspannung hilft nicht nur bei bestehenden Erkrankungen, sondern auch präventiv: Wer die Übungen regelmäßig durchführt, wird gelassener im Umgang mit Stress.
Fazit: Progressive Muskelentspannung bringt Körper und Geist zur Ruhe
- Die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson ist eine anerkannte Entspannungsmethode, um Stress abzubauen und für Gelassenheit zu sorgen.
- Die Methode ist leicht zu erlernen und kann gut in den Alltag integriert werden.
- Gerade Menschen mit chronischen Schmerzen oder großer Stressbelastung profitieren von den Übungen.
- Effektiv ist die Entspannungstherapie auch in Kombination mit anderen medizinischen Behandlungsmaßnahmen.
- Wichtig ist, die Technik korrekt zu erlernen und regelmäßig anzuwenden. So erzielen Sie sehr gute Ergebnisse und die Dauer, bis Entspannung eintritt, verkürzt sich mit jeder Durchführung.
Fragen und Antworten zum Thema "Progressive Muskelentspannung"
PME-Übungen helfen Ihnen unter anderem bei Schlafstörungen oder chronischen Schmerzen. Auch in Angstsituationen, beispielsweise beim Zahnarzt oder bei Flugangst, ist die Progressive Muskelentspannung zu empfehlen.
Es dauert ungefähr 8 bis 12 Wochen, bis Sie Ihren Körper und Ihren Geist auf die Übungen der PME eingestellt haben. Wenn Sie die Methode regelmäßig durchführen, stellt sich Entspannung zunehmend schneller ein.
Es gibt verschiedene Anleitungen für Progressive Muskelrelaxation, die Sie auch allein anwenden können. Empfehlenswert ist jedoch zunächst, die korrekte Anwendung bei einem Therapeuten oder in einem Kurs zu erlernen. Darüber hinaus sollten Sie zu Hause regelmäßig üben.
Bei einigen Menschen stellt sich bereits bei ersten Übungen Entspannung ein. Geht es darum, chronische Schmerzen oder andere Beschwerden mit der PME zu behandeln, dauert es einige Wochen, bis sich eine Wirkung einstellt.
Es gibt nur selten Nebenwirkungen bei der Progressiven Muskelrelaxation. Wer sehr angespannt ist, kann unter Umständen unter Kopfschmerzen oder Übelkeit durch die Übungen bekommen. Wenn Sie unter Beschwerden oder Erkrankungen leiden, sollten Sie die Technik mit Ihrem Arzt absprechen. Nicht angesagt ist PME unter anderem bei einer akuten Psychose, Herzschwäche, Epilepsie, Muskelerkrankungen oder Muskelkrämpfen.
Meinmed.at: www.meinmed.at
Infothek Gesundheit: infothek-gesundheit.de
Neurologen und Psychiater im Netz: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org
Universität Lübeck: www.lust.uni-luebeck.de
(alle abgerufen am 11.11.2022)
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